Deutscher Orden
Reise durch mehr als 800 Jahre
Wer im Norden der Diözese auf Entdeckungstour geht, stößt in vielen Orten auf den Deutschen Orden. Über Jahrhunderte beeinflusste er die Geschichte der Region. Davon erzählen Schlösser, Kirchen – und Menschen, die sich auch heute noch dem Orden verbunden fühlen und ihn lebendig halten.
Unterstützer der Ordensideale
Bei Führungen durch das Deutschordensmünster in Heilbronn wird er häufiger gefragt, wieso die Kirche eigentlich Deutschordensmünster heiße, erzählt Diakon Carsten Wriedt. Eine andere typische Frage sei: Gibt es ihn überhaupt noch, den Deutschen Orden? Mit beiden Fragen sind Besuchergruppen bei Wriedt genau richtig. Denn er kennt nicht nur die Geschichte des Ordens, sondern gehört ihm selbst an. Wriedt ist seit 2008 Familiare des Deutschen Ordens.
Familiaren sind „Personen weltlichen oder geistlichen Standes, die nach Kräften die Werke des Ordens mittragen, seine Unternehmungen fördern und seine Ideale zu verwirklichen trachten“, heißt es auf der Internetseite des Deutschen Ordens. Neben den Ordensschwestern und -brüdern bilden sie eine weitere Gruppe der Ordensangehörigen. Die Aufnahme in den Kreis der Familiaren folgt nur auf Vorschlag und Empfehlung, erklärt Wriedt. Bei der Investitur musste er dann geloben, die Werte und Ideale des Ordens zu unterstützen. „Ich fand, dass die Ideale des Helfens und Heilens gut zum diakonischen Ansatz passen“, sagt Wriedt. Und als Diakon in der Deutschordenspfarrei St. Peter und Paul passe es gut, selbst dem Deutschen Orden anzugehören.
Gründung während der Kreuzzüge
Nicht nur das Wappen mit dem schwarzen Kreuz auf weißem Grund, das im Deutschordensmünster im Schnittpunkt von Mittel- und Quergang im Fußboden zu sehen ist, weist auf die besondere Geschichte der Kirche hin. Im Altarraum und im Schiff hängen auch Epitaphien – Grabplatten –, die an Ordensmitglieder erinnern. Der Deutschhof in der Heilbronner Innenstadt, der Gebäudekomplex mit Kirche, Pfarrhaus, Städtischen Museen, Stadtarchiv und VHS, bildete einst die Kommende des Deutschen Ordens.
Die Gründung dieser Niederlassung wird etwa auf das Jahr 1225 datiert. Damals war der Orden noch recht jung. Seine Ursprünge führen vor die Tore von Akkon im Heiligen Land. Im Jahr 1190, zur Zeit der Kreuzzüge, gründeten Bremer und Lübecker Bürger eine Hospitalgemeinschaft, um Pilger und Kreuzfahrer zu versorgen. Damit verband sich bald darauf eine militärische Komponente, sodass aus der Hospitalgemeinschaft eine Rittergemeinschaft wurde. Der Orden bestand aus Priester- und Ritterbrüdern. Die Ordensritter übernahmen die Führung und spielten eine immer größer werdende Rolle.
Mergentheim als Zentrum
Der „Orden der Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem“, wie der vollständige, historische Name des Deutschen Ordens lautet, war nicht nur im Heiligen Land aktiv. Schenkungen brachten dem Orden ab 1200 verstreuten Besitz im Heiligen Römischen Reich. So kam der Deutsche Orden 1219 nach Mergentheim. Diese Niederlassung wurde später sogar zum Zentrum des Deutschen Ordens.
Denn von 1527 bis 1809 bildete das Schloss in Mergentheim den Sitz des Deutsch- und Hochmeisters, nachdem die Marienburg in der heutigen polnischen Stadt Malbork aufgegeben werden musste. „Die Residenzfunktion war umfassend. Viele weitere Funktionen hingen damit zusammen“, erklärt Maike Trentin-Meyer. Trentin-Meyer ist als Konservatorin für die Staatlichen Schlösser und Gärten in der Region Hohenlohe zuständig. Dank des Deutschen Ordens habe sich Mergentheim positiv entwickelt. Der Orden baute zum Beispiel die Stadtmauer sowie das Rathaus, und das Altenheim im Spital geht letztlich ebenfalls auf eine Ordensgründung zurück, wie Trentin-Meyer aufzählt. Die Präsenz des Ordens hatte wirtschaftliche Bedeutung und sie sorgte für eine überregionale Vernetzung.
Spirituelles Wirken
Trentin-Meyer lenkt das Augenmerk aber noch auf etwas anderes: „Der spirituelle Aspekt ist nicht zu vernachlässigen.“ Der Orden betreute Kirchen und Pfarreien. Er bildete Priester aus. Im Jahr 1606 entstand ein eigenes Priesterseminar im Schloss in Mergentheim.
Das alles ist außerhalb einer „Deutschordensstadt“ wie Bad Mergentheim heute wenig bekannt. Während ihrer früheren Arbeit als Museumsdirektorin im dortigen Schloss sind Trentin-Meyer drei Publikumsgruppen begegnet, wie sie schildert: Die größte Gruppe bilden diejenigen, die kein besonderes Vorwissen haben und den Orden nicht einordnen können. Menschen, die aus anderen Deutschordens-Orten kommen, haben dagegen großes Interesse. Und dann gibt es die dritte Gruppe: Besucher, für die der Deutsche Orden negative Konnotationen hat. „Im Nationalismus des 19. und 20. Jahrhunderts ist die mittelalterliche Geschichte des Ordens immer wieder missbraucht worden. Das wirkt nach“, sagt Trentin-Meyer.
Neuzeitliche Verzerrungen
Um die Zusammenhänge verstehen zu können, ist ein Schritt zurück ins 13. Jahrhundert notwendig. Damals entstand im Osten Europas, zwischen Weichsel und Memel, ein eigener Ordensstaat mit der Marienburg als Zentrum. Kaiser und Papst hatten dem Orden das Privileg erteilt, Preußen und Livland zu erobern und zu besiedeln. Im Laufe der Zeit kam es in der Region zu Machtkonkurrenzen. Sie gipfelten in der berühmten Schlacht bei Tannenberg, als im Jahr 1410 ein polnisch-litauisches Heer die Ritter des Ordens besiegte. Mit der Reformation im 16. Jahrhundert verlor der Orden dann Preußen und Livland.
Das Königreich Preußen im Westen bezog sich für seine Legitimation auf die Historie des Ordensstaats. So wurde 1813 ein neues Verdienstzeichen gestiftet: das Eiserne Kreuz. Es lehnt sich an das Deutschordens-Kreuz an, hat allerdings im Gegensatz zum Ordenszeichen vier gleich lange Schenkel. Im Deutschen Reich setzte sich die nationalistische und kämpferische Bezugnahme auf den Deutschen Orden fort. Die Nazis bedienten sich ebenfalls der mittelalterlichen Geschichte, um Versatzstücke in ihre eigene Ideologie zu bauen. Auf anderer Seite führte das zu einer Gegenreaktion: Als Preußen als eine von drei Mächten Polen Ende des 18. Jahrhunderts aufteilte, bildete der mittelalterliche Kampf gegen den Deutschen Orden die geschichtliche Folie für die Bemühungen der Polen, die eigene nationale Identität zu behaupten. Ähnliche Bezüge gab es dann auch nach der Besetzung durch die Nazis. Das alles verzerrte die eigentliche Historie, schließlich war der Nationalismus ein neuzeitlicher Denkrahmen.
Aufhebung und Neubeginn
Den Orden gab es in Deutschland da schon nicht mehr. In den Revolutionskriegen verlor er Besitzungen. Napoleon hob den Orden im Jahr 1809 im ehemaligen Heiligen Römischen Reich auf. Mergentheim fiel an das neu entstandene Königreich Württemberg. Der Deutsche Orden bestand nur noch im Gebiet der Habsburgermonarchie weiter, mit Wien als neuem Sitz - bis heute.
Nach dem Ersten Weltkrieg verschwand die militärische Komponente des Ordens: Der Ritterzweig wurde aufgegeben, Priester übernahmen die Führung. So wurde der Deutsche Orden zu einem rein geistlichen Orden. Mit den Vertreibungen infolge des Zweiten Weltkriegs fanden sich wieder Ordensbrüder und -schwestern in Deutschland ein.
Heutige Situation
„Viele aus dem Sudetenland sind dorthin gegangen, wo man den Deutschen Orden noch in guter Erinnerung hatte“, sagt Trentin-Meyer. Also auch nach Mergentheim. Ein Konvent der Deutschordensschwestern übernahm in der Nachkriegszeit Pflege und verantwortliche Funktionen im entstehenden Caritas-Krankenhaus. Bis heute gibt es noch eine Handvoll Schwestern in der Einrichtung.
Wie andere Orden auch hat der Deutsche Orden heutzutage mit der abnehmenden Zahl von Schwestern und Brüdern zu kämpfen. Aber die Zahl der Familiaren wächst, wie Trentin-Meyer erklärt. Sie selbst gehört diesem Mitgliedskreis an. Die Arbeit im Museum hat sie in Kontakt mit dem Deutschen Orden gebracht. „Es ist schön, den Glauben in so einer Gemeinschaft zu leben“, sagt Trentin-Meyer.
Anfahrt
Wer der Geschichte des Deutschen Ordens nachspüren will, startet am besten im Residenzschloss Mergentheim mit seinem Deutschordensmuseum. Das Schloss kann aktuell im Einbahnstraßensystem mit Mund-Nasen-Schutz und unter Beachtung der gültigen Hygieneregeln besichtigt werden. Nur die Räume mit den Exponaten zur „Jungsteinzeit im Taubertal“ sind geschlossen. Hier lassen sich die Abstandsregeln nicht umsetzen. Die Sonderausstellung „Rom lebt! Mit dem Handy in die Römerzeit“ wurde bis zum 28. Februar 2021 verlängert. Der Schlossgarten Mergentheim ist frei zugänglich. Das Museum ist von April bis Oktober mittwochs bis sonntags von 10.30 bis 17 Uhr geöffnet. Von November bis März sind die Öffnungszeiten mittwochs bis samstags von 14 bis 17 Uhr und sonntags von 10.30 bis 17 Uhr. Am 24., 25. und 31. Dezember ist das Schloss geschlossen.
In Heilbronn ist der Deutschhof mit dem Deutschordensmünster eine Sehenswürdigkeit, die auf den Deutschen Orden zurückgeht. In der Region um Heilbronn gibt es außerdem in weiteren Orten Schlösser, Kirchen oder andere Gebäude, die mit dem Deutschen Orden in Zusammenhang stehen. So befindet sich das Zweiradmuseum in Neckarsulm in einem ehemaligen Deutschordensschloss. In Gundelsheim ist das Schloss Horneck, in dem sich das Siebenbürgische Kultur- und Begegnungszentrum befindet, eine ehemalige Deutschordensburg. Das Bürgeramt in Heilbronn-Kirchhausen sitzt in einem prächtigen, früheren Deutschordensschloss.
In Heilbronn-Sontheim, Erlenbach-Binswangen, Bad Friedrichshall-Untergriesheim, Bad Friedrichshall-Duttenberg, Oedheim, Offenau, Brackenheim-Stockheim zum Beispiel stehen Kirchen und andere Gebäude, die Zeugnisse der Bautätigkeit des Deutschen Ordens darstellen.
Einkehr und Übernachtung
Informationen zu Gastronomie und Übernachtungsmöglichkeiten finden sich zum Beispiel auf den touristischen Internetseiten der Stadt Mergentheim und der Stadt Heilbronn.
Wer eine besondere Übernachtungsmöglichkeit sucht, kann das Kloster Schöntal im beschaulichen Jagsttal zwischen Bad Mergentheim und Heilbronn ansteuern. Das Kloster Schöntal ist eines der Tagungshäuser der Diözese Rottenburg-Stuttgart.