Ulm, 95. Katholikentag
Sehr geehrter Herr Minister Müller, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Gönner, sehr geehrter Herr Hermann, sehr geehrter Herr Pfarrer Schwab, sehr geehrter Herr Hecht, sehr geehrter Herr Giese, meine sehr geehrten Damen und Herren,
das christliche Credo beginnt mit dem Glauben an den Schöpfer des Himmels und der Erde und findet im Schöpferlob aller Kreatur sein Ziel. Deshalb ist es aus christlicher Weltsicht heraus selbstverständlich, mit der Natur und insbesondere dem Lebendigen nicht wie mit einer "toten Sache" beliebig zu verfahren. Als Schöpfung Gottes ist die Natur nicht nur ein Gleichnis Gottes, sondern hat geradezu in sakramentaler Weise Anteil an der Gegenwart des Schöpfers. Die Schöpfung gehört also zum Kernbestand und Fundament des christlichen Glaubens. Um es möglichst konkret zu sagen: Wir können nicht an Gott als Schöpfer glauben und zugleich die Natur zugrunde richten.
Seit vielen Jahren ist der sogenannte ‚Konziliare Prozess‘ mit den Themen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung von zentraler Bedeutung für das kirchliche Engagement. Dabei konkretisiert sich die Wahrnehmung von christlicher Verantwortung für die Welt angesichts zunehmender Klimakatastrophen und daraus erwachsender sozialer Notlagen auch im Engagement zur Bewahrung der Schöpfung.
Der Umgang mit Energie ist daher ein höchst relevantes Thema in der Kirche. Denn der Raubbau an Ressourcen und die Beeinträchtigung des Klimas gefährden schon heute die Lebensgrundlagen von Menschen. Zukünftige Auswirkungen unseres fahrlässigen Umgangs sind erst in Ansätzen absehbar, klar ist jedoch, dass die passive Hinnahme dieser Bedrohung dem biblischen Schöpfungsauftrag zuwider läuft. Die Kirchen müssen, wenn Sie glaubwürdig zur Wahrnehmung dieser Verantwortung aufrufen wollen, notwendigerweise Vorreiter in der Umsetzung sein. Sie müssen sich viel stärker als bisher der schöpfungstheologischen Dimension ihres Christus-Glaubens bewusst werden und daraus entsprechende Konsequenzen für ein "schöpfungsfreundliches Handeln" ziehen. Und dies ist letzten Endes auch ein "kinderfreundliches Handeln", weil es die Umweltbelastung für die nachfolgenden Generationen reduziert.
Deshalb fördert die Diözese Rottenburg-Stuttgart in jüngster Zeit mit Nachdruck die ökologische Weiterentwicklung des kirchlichen Gebäudebestandes, um damit einen wirksamen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung zu leisten. Das Konzept der ökologischen Bestandsentwicklung beabsichtigt im Umgang mit diözesanen und kirchengemeindlichen Gebäuden sowohl zeichenhaft zu handeln als auch eine nachhaltige Energie-Wende zu erreichen. Denn bei einem geschätzten Gebäudebestand der Kirchengemeinden und der Diözese von ca. 5000 Einheiten und einem jährlichen Investitionsaufwand für Bestandserhaltung und Bestandsentwicklung von jährlich ca. 40 Mio. €, wäre mit dem Einsatz von effizienzsteigernden Konzepten ein spürbarer Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung zu erzielen. Durch die Förderung von energieeffizienten und zugleich nutzungsoptimierenden Konzepten soll die bestehende Bausubstanz mit dem Ziel ertüchtigt werden, um den Energieverbrauch drastisch zu reduzieren und den CO2-Ausstoß nach Möglichkeit ganz zu vermeiden. Nur durch die Anwendung ganzheitlicher und nach-haltiger Konzepte wird das Engagement für die Bewahrung der Schöpfung letztendlich zugleich glaubwürdig und für die Nutzer attraktiv.
Zwar kann die Kirche mit ihren Mitteln allein keine nachhaltige Energiewende bewirken. Denn die Wahrnehmung von christlicher Verantwortung endet nicht an den Grenzen der Kirchengemeinden und auch nicht an der Grenzen der Diözese. Wohl aber kann sie durchaus Zeichen setzen und zur Nachahmung einladen. Es werden Bündnisse und Kooperationen gesucht, um den Wirkungsgrad von Maßnahmen noch zu steigern. Und auf diesem Weg der Vernetzung und der anstiftenden Symbolhandlung kann die Kirche an ihren Orten und mit ihren Mitteln durchaus effektiv zu einer nachhaltigen Bewusstseinsänderung im Umgang mit der Umwelt beitragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für all diese Überlegungen stellt das Modellprojekt hier in der Gemeinde ‚Zum Guten Hirten‘ von Ulm-Böfingen eine exemplarische, innovative und gelungene Verwirklichung dar.
Aus diesem Grund sei der Kirchengemeinde für ihren Mut, neue Wege zu gehen, von Herzen und aus Überzeugung gedankt. Unser Dank gilt auch der Stadt Ulm, deren Unterstützung durch das Umweltamt mit Herrn Jäger und durch die Stadtwerke Ulm, dem Solarbündnis mit Herrn Dr. Andelfinger, FUG, dem Bischöflichen Bauamt mit Herrn Diözesanbaumeister Giese und Herrn Architekten Hermann sowie der Gesamtkirchenpflege Ulm.
Die ‚Bewahrung der Schöpfung‘ beginnt hier und heute, an konkreten Orten und zu verschiedensten Gelegenheiten. Sie ist in unsere Verantwortung gegeben.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!