Bischof Dr. Gebhard Fürst: Predigt am Ersten Weihnachtsfeiertag 2002

Stuttgart, Konkathedrale St. Eberhard

Liebe Schwestern und Brüder!

‚Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten ... Horch, deine Wächter erheben die Stimme, sie beginnen alle zu jubeln. Denn sie sehen mit eigenen Augen!’ Mit diesem Zitat des Propheten Jesaja, das wir eben gehört haben, begrüße ich Sie alle an diesem Weihnachtsmorgen!

Willkommen sind uns allen die Schritte des Freudenboten, fürwahr. Wir hören alle gerne erfreuliche Nachrichten, da geht es uns heute nicht anders als den Menschen zur Zeit des Propheten Jesaja oder auch den Menschen zur Zeit, als ‚Quirinus Statthalter von Syrien und Augustus Kaiser von Rom war.’

Heute hören wir einen Freudenboten, einen ganz besonderen, mit einer exquisiten, einzigartigen Freudenbotschaft. Es geht um die Frohbotschaft, das Evangelium des Weihnachtsfestes. Ein kundiger Dichter hat dem eingangs gehörten Vers in seinen Worten Ausdruck gegeben. Er übersetzt: ‚Wie willkommen sind die Füße derer, die die Heilsbotschaft bringen: das Gute.’ Damit macht er deutlich: Es geht um unendlich mehr als irgendwelche ‚News’. Es geht um unser Heil – es geht um das Gute für uns, es geht um Leben oder Tod.

Wir, liebe Schwestern und Brüder, sehen mit eigenen Augen das Heil Gottes mitten in der Welt als Kind in der Krippe. Mitten in der unheilen und zerrissenen Welt, hier, vor unseren Augen, hier und zu unserem Heil: Gott ist Mensch geworden, oder, wie Johannes sagt: ‚Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt’ (Joh 1,14).

Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden, um allen Menschen nahe zu sein, um für alle Menschen da zu sein, um durch einen von uns –mitten im erlittenen Unheil- heilsame Nachrichten zu überbringen und Wege des Heils zu erschließen. Das ist die große, die beglückende Freuden-Botschaft des Weihnachtsfestes!

In der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus zeigt sich, was Gott für uns bedeutet. Aber noch mehr: In der Geburt Jesu Christi geht uns auf, was wir Menschen erst Gott bedeuten müssen, dass er zu uns kommt: Wie unendlich wertvoll sind wir Menschen doch für Gott. Jede und jeder einzelne und die ganze Menschheitsfamilie ist Gott so wichtig, dass er selbst Mensch wird - für uns.

In Jesus Christus ist unsere Frage nach Leben und Heil zu einem guten, heilen Ende – besser zu einem ganz neuen Anfang gebracht worden ist. Im Menschen Jesus von Nazareth ist Gott selbst Mensch geworden. In der Geburt dieses Menschen zeigt sich uns die Menschenfreundlichkeit Gottes. Gottes menschenliebendes Wort an uns ist Fleisch geworden!

Gottes Heil nimmt Gestalt an in einem ganz konkreten, unverwechselbaren Menschen. Das heißt doch umgekehrt auch: Gottes Heilsweg mit den Menschen ist sein entschiedenes Bekenntnis zu Besonderheit, Originalität, Unverwechselbarkeit, zu einem Namen, in dem das Heil der Welt liegt. Liebe Schwestern und Brüder, Gott liebt das Besondere, das Unverwechselbare: Jesus ist ein ‚Mensch wie sonst keiner’ (Bloch): einfach einmalig.

Hören Sie, wie heilsam das klingt und wirkt in Zeiten, in denen der Mensch damit anfängt, sich selbst zu kopieren und sich als Klon in Serie zu produzieren?! Ein Fortpflanzungsmediziner und eine Sekte kündigen die Geburt der ersten geklonten Kinder an. Wenn es denn stimmt, so erhebt sich am Horizont die Zukunft der Menschen in Serienproduktion. Zurecht stehen wir auf gegen den Verlust des Einmaligen, gegen die grausige Zumutung an geklonte Kinder, nur Kopien sein zu dürfen und nicht mehr Originale. Gott liebt uns Einmalige.

Der postmoderne Mensch aber beginnt sich nur noch als Kopie seiner selbst zu lieben. Auch eine Facette einer zukünftigen Unheilswelt, wenn wir den Gottesmaßstab verlieren. Hinter dem Klonen steckt die Mentalität: Ich akzeptiere dich nur als meine möglichst perfekte Kopie. Gott aber spricht: Ich will dich als Original, in deiner Besonderheit, mit deinem unverwechselbaren Namen, mit deiner einmaligen Geschichte: Ich liebe dein einmaliges Gesicht. Die heilsame Nachricht von Weihnachten an uns: „Ich nehme dich an, konsequent, radikal, dieses menschliche Leben, mitsamt seinem Geschick, Glück und Elend.“ Weihnachten als Fest der Menschwerdung Gottes wird zum Fest der Menschwerdung des Menschen.

Die heilsame Nachricht wird zum heilsamen Lebensweg: „Ich liebe dich, Mensch, nimm auch du dich an – mit deinen Grenzen, deiner Endlichkeit, ja mit Krankheit, Sterben und Tod.“ Weil wir so von Gott angenommen sind, können auch wir uns selbst annehmen in den eigenen Grenzen und annehmen auch die begrenzten Mitmenschen. Es braucht keinen Übermenschen, kein perfekt gestyltes, unverletzliches Klonkind: Gott selbst ist Mensch geworden, er ist sichtbar und greifbar geworden in einem konkreten Menschen, er ist begrenzt und hinfällig geworden, wie wir Menschen selbst es sind, er ist selbst einer von uns Menschen, nackt und verwundbar, Mensch aus Fleisch und Blut geworden.

So führt uns die Weihnachtsbotschaft auch heilsame Wege besonders zu denen, die selbst in heillosen Grenzen leben: zu denen in Armut und Not. Von Weihnachten führen Wege des Heils zu jenen, die ausgegrenzt, benachteiligt, behindert sind. Ja, auch auf all die Menschen, die in unseren Gesellschaften und durch uns behindert und benachteiligt werden an der Entfaltung ihres Lebens. So viele Menschen sehnen sich heute nach Heil und nach Heilung. Auch bei uns – aber anderswo noch mehr, noch viel mehr.

Wer Jesus Christus finden will, muss dahin, an diese Orte und zu diesen Menschen gehen. Da ist er, bei denen, die in ihrer Würde verletzt sind, die unter die Räder kommen: auch die Frauen und Männer ohne Arbeit, die der Pflege Bedürftigen und die Kranken, und auch die als Biomaterial verbrauchte Menschen. Gott wird Mensch, er nimmt uns Menschen an, damit wir uns selbst und die anderen Menschen annehmen. Jeder Mensch, so wie er ist, ist Mensch, nicht der eine mehr, der andere weniger. Weihnachten meldet: Jeder Mensch hat nicht nur einen Wert, sondern vor allem eine Würde, seine ihm von Gott gegebene, deshalb unantastbare Würde. Diese Substanz unserer christlichen Kultur dürfen wir nicht verlieren. Deshalb brauchen wir die Erinnerung und Vergegenwärtigung des Weihnachtsfestes: der Geburt Gottes im einmaligen Menschen.

Ich wünsche Ihnen, dass diese Botschaft Sie stärkt und ermutigt, neue Wege des Heiles zu gehen. Zum Fest der Geburt unseres Herrn Jesu Christi wünsche ich Ihnen, Ihren Angehörigen und allen Menschen, die Ihnen nahe stehen, eine frohe, befreiende Weihnacht und Gottes reichen Segen.

Das ist die Frohbotschaft des heutigen Morgens: ‚Wie willkommen sind die Füße derer, die die Heilsbotschaft bringen: das Gute. Deine Wächter erheben die Stimme, sie beginnen alle zu jubeln, denn sie sehen mit eigenen Augen: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.’

Amen.

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