Bischof Dr. Gebhard Fürst: Wort zum Sonntag SWR 2 2004

Stuttgart, SWR

Heute endet die ökumenische "Woche für das Leben". Sie stand unter dem Thema "Die Würde des Menschen am Ende seines Lebens". Die Auseinandersetzung damit fällt oft schwer, weil wir Endlichkeit, Gebrechlichkeit und Sterblichkeit des Lebens lieber verdrängen. Um Menschen am Ende des Lebens Leiden zu ersparen, wird immer öfter die aktive Sterbehilfe, also die gezielte Herbeiführung des Todes, ins Gespräch gebracht und nach dem Beispiel anderer Länder deren Legalisierung gefordert.

Sterbehilfe oder Begleitung beim Sterben? Die Position der Kirchen ist eindeutig: Es kann kein "gutes Töten" geben, sondern nur ein Sterben, in dem Menschen alle denkbare Hilfe und Begleitung erfahren, um das Unverfügbare tragen zu können. So ist es gut, dass in Deutschland viele Gruppen entstanden sind, die schwerkranke und sterbende Menschen begleiten und ihnen in den letzten Wochen, Tagen und Stunden Beistand leisten. Auch die Medizin macht immer mehr Fortschritte. Durch verbesserte Schmerz- und Linderungsmittel hilft sie Schwerkranken, ihre letzte Lebenszeit zu erleichtern.

Aber die Fragen nach der "Würde des Menschen am Ende seines Lebens" sind nicht nur an Mediziner und Hospizgruppen gerichtet. Sie gehen uns alle an: Wie kann auch und gerade am Ende des Lebens die Würde des Menschen bewahrt werden? Welche Begleitung ist sinnvoll und notwendig? Welche Voraussetzungen müssen dafür in der Medizin, in der Gesellschaft und auch in den Kirchengemeinden geschaffen werden?

Gerade auch die Christen sind aufgefordert, auf den Ruf nach Euthanasie auch heute eine christliche Antwort zu finden. Denn sie waren es, die einst mit der Errichtung von Siechen- und Krankenhäusern ein öffentliches Bewusstsein für die Würde und „Heiligkeit“ jedes einzelnen menschlichen Lebens geschaffen haben.

Sterbehilfe als Akt der Tötung auf Verlangen aber stellt dieses Bewusstsein fundamental in Frage. Genau dies darf aber um des Menschen willen nicht verloren gehen. Die Forderung, die Selbstbestimmung bis zum Tode auszuweiten, stellt das Verständnis der Menschenwürde auf den Kopf.

Vordergründig motivieren dabei Ängste, die verständlich sind: vor allem die Angst vor unerträglichen Schmerzen, aber auch die Angst, den Angehörigen und der Gesellschaft zur Last zu fallen. Nicht nur menschlich, auch finanziell. So führt die sogenannte Sterbehilfe nicht zu Liebe und Annahme. Sie verhindert vielmehr, dass die Last des Sterbens durch Mittragen erleichtert wird. So wird die Last geradezu verdoppelt, indem sie mit der Möglichkeit der Tötung auch den sozialen Druck dazu erhöht. Denn wer das „Recht“ erhält, sich selbst zu töten oder töten zu lassen, der könnte auch bald die „Pflicht“ dazu haben.

Die christliche Botschaft gibt da eine ganz andere, eine befreiende und entlastende Antwort: Jesus lebt ein liebendes Menschsein vor, das um die Grenzen des menschlichen Lebens keinen Bogen macht, sondern solidarisch und mitleidend Anteil nimmt. Ein Menschsein, das auch Krankheit oder Behinderung, Leiden, Sterben und Tod nicht ausblenden will, sondern es annimmt, weil es zum Leben dazugehört.

Der Psychologe C. G. Jung sagte einmal: „Das Leiden muss überwunden werden, und überwunden wird es nur, indem man es trägt.“. Indem wir es wechselseitig und füreinander mitragen, möchte ich ergänzen. Denn ohne dieses liebende Mittragen wären wir eine eiskalte Gesellschaft angstbesetzter Menschen, die sich mit der Last ihres Sterbens alleine lassen.

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