Mit den nötigen Abstands- und Hygienemaßnahmen kamen die Diözesanrätinnen und Diözesanräte in der Gemeindehalle Untermachtal zusammen. Das Gremium diskutierte über den Kirchenentwicklungsprozess “Kirche am Ort“, traf politische Beschlüsse und widmete sich dem Thema Bildung und der Digitalisierung. Die aktuelle Situation zwang den Diözesanrat Rottenburg-Stuttgart sich auch mit den durch Corona einhergehenden Veränderungen auseinanderzusetzen.
Kirche am Ort
Einen Schwerpunkt der Vollversammlung stellte der vom Diözesanrat initiierte Kirchenentwicklungsprozess “Kirche am Ort“ dar. Ein Prozess, der alle aktiven Prozesse der Veränderung bezeichnet, um die Kirche zukunftsfähig zu gestalten. Zur Auswertung dieses Prozesses stellte eine Projektgruppe gemeinsam mit Professor Dr. Michael Ebertz und Janka Höld von der Katholischen Hochschule Freiburg eine Studie des bisherigen Prozesses vor.
Gegenstand dieser Untersuchung sind 216 Berichte aus den Gemeinden zu ihrem Entwicklungsprozess. Demnach haben einige Gemeinden den Prozess unter anderem dazu genutzt, längst Überfälliges umzusetzen oder ein Zusammenwachsen in der Seelsorgeeinheit zu befördern. Doch auch Problemfelder wurden deutlich. So gab es auch einige Anstöße für neue Wege, die nur selten beschritten wurden, obwohl sie teilweise erforderlich gewesen wären.
„Wir haben als Pastoralrat mit 'Kirche am Ort' ganz klar einen neuen Prozess auf den Weg gebracht“, betont Diözesanratssprecher Dr. Johannes Warmbrunn. „Die Bereiche des Ehrenamtes und der Individualseelsorge zeigen einen hohen Entwicklungsbedarf auf, etwa durch Qualifizierung und gezielte Fördermaßnahmen. Hier müssen wir dringend weiter ansetzen.“
Die gewählten Räte forderten zum Abschluss der Beratungen eine strukturierte Aufarbeitung aller Ergebnisse für die Gemeinden sowie eine Weiterführung der Themen.
Bildungsstarke Kirche
Auch das Thema Bildung spielte eine elementare Rolle in der Sitzung. Um die bestehenden und künftigen schulpastoralen Initiativen und Angebote weiter zu fördern und zu vernetzen beschloss das Gremium bereits vor einigen Jahren, die Schulpastoral in einer “Modellphase Schulpastoral 2015 - 2020“ in der Diözese gezielt weiterzuentwickeln.
In einem Bericht stellte das Team rund um Ordinariatsrätin Ute Augustyniak-Dürr konkret geplante und bereits umgesetzte Weiterentwicklungen der Schulpastoral in der Diözese vor. Ferner wurden die Projektergebnisse von “Faktor Bildung“ den Mitgliedern des Rates präsentiert, die die Chancen, Aufgaben, Handlungsfelder und Standards katholischer Erwachsenenbildung auslotete.
„Es ist gut und wichtig, dass wir mit solchen Projekten und Modellphasen vorangehen“, erklärt Bischof Dr. Gebhard Fürst. „Unsere Kirche als bildungsstarke Kirche zu positionieren liegt mir sehr am Herzen und wir werden uns dafür auch weiterhin stark einsetzen.“
Kirchliches Handeln im digitalen Raum
Ein äußerst relevantes Thema war die Digitalisierung. Eine Expertengruppe präsentierte ein Positionspapier für einen ethischen Verhaltenskodex in der kirchlichen Arbeit. Leitlinien sind die Heilige Schrift, die katholische Soziallehre und Erfahrungen in der Anwendung der Digitalisierung.
Im nächsten Schritt geht es nun um die Umsetzung mit sinnvoller und gerechter Gestaltung der Arbeit, Schutz der Beschäftigten sowie Fort- und Weiterbildungen. „Diesem zukunftsweisenden Thema werden wir in den kommenden Jahren viel Raum geben und es voranbringen“, verspricht Bischof Fürst.
Studie zur Liturgie zeigt Handlungsbedarf auf
Hinsichtlich der Pastoral bringt Corona viele Veränderungen mit sich. So führte das Bischöfliche Ordinariat unter der Leitung von Weihbischof Dr. Gerhard Schneider in Kooperation mit der katholisch-theologischen Fakultät Tübingen eine Studie zum pastoralen Personal durch. 400 Datensätze konnten in einer Online-Umfrage unter Gottesdienstverantwortlichen des Pastoralen Dienstes sowie der einschlägig tätigen Ehrenamtlichen der Diözese Rot-tenburg-Stuttgart gesammelt werden. Während die finale Auswertung der Studie noch aussteht, präsentierten Verantwortliche erste Ergebnisse bereits am Wochenende.
Die Umfrage zeigt, dass sich die wenigsten der Teilnehmenden in der bisherigen Corona-Zeit in ihrem Glauben erschüttert gefühlt oder an Gott gezweifelt haben. Viele Befragte haben den Stellenwert der Gemeinschaft der Gläubigen sehr hoch angesetzt und mediale Übertragungen wie beispielsweise Gottesdienst-Livestreams als eine große Unterstützung wahrgenommen.
Unter den weiterhin fortbestehenden Einschränkungen stuften die Probanden das „Verbot von Gemeindegesang“ als die gravierendste ein. „Nun gilt es, das ausführliche Studienergebnis abzuwarten“, erklärt Bischof Fürst. „Anschließend werden wir unsere Konsequenzen aus der Studie ziehen.“
Gremium fordert Aufnahme geflüchteter Menschen
Gegenstand der Sitzung war auch der Umgang mit den schutzsuchenden Menschen in Moria auf Lesbos. Dabei begrüßt der Diözesanrat die Bereitschaft der Bundesregierung, geflüchtete Menschen mit besonderem Schutzstatus von den griechischen Inseln aufzunehmen.
Gleichzeitig ermutigt das Gremium in einer Erklärung die Abgeordneten des Deutschen Bundestags und die Bundesregierung weitere Schritte einzuleiten. „Wir sind den grundlegenden Werten der Nächstenliebe und der Solidarität verpflichtet“, meint Warmbrunn. „Gemeinsam mit den Engagierten von Pax Christi werden wir unsere Erklärung in die Politik einbringen.“
Der Diözesanrat wird darüber hinaus Mitträger der Kampagne “Kein Weihnachten in Moria!“.