Diakonat

Corona hinter Gittern

Die Justizvollzugsanstalt in Rottenburg. Bild: Zeitschrift "Auge und Ohr"

Die Justizvollzugsanstalt in Rottenburg. Bild: Zeitschrift "Auge und Ohr"

Eingeschränkte Besuche, weniger Kontakt, weniger Geld - Diakon Michael Feldmann berichtet von Pandemie-Problemen für Inhaftierte.

Eingeschränkte Besuche, weniger Kontakte, weniger Geld - Corona bringt ganz eigene Probleme für die Inhaftierten in der Justizvollzugsanstalt. Diakon Michael Feldmann, Katholischer Gefängnisseelsorger in der JVA Rottenburg, berichtet von seiner Arbeit als Gefängnisseelsorger in Zeiten von Corona:

Die „Sonderwelt Gefängnis“ wird für die allermeisten Bürger*innen wohl ein weißer Fleck im zentralen Stadtbild Rottenburgs bleiben – weiß und nicht dunkel, weil die Mauern so getüncht sind. Nato-Draht auf der Mauerkrone schützt sie wirksam vor Ausbruch, vor Corona schützt er die hinter der Mauer nicht. Wenn, dann kommt das Virus durchs Tor, denn das passieren an gewöhnlichen Werktagen mehr als 100 Vollzugsbeamt*innen, über 50 Mitarbeiter*innen in Verwaltung und Fachdiensten, fast ebenso viele im Vollzuglichen Arbeitswesen und in den Versorgungsbetrieben. Hinzu kommen neue und zurückkehrende Gefangene, Besucher*innen sowie zahlreiche Anlieferer für die vielen Gewerke auf dem weiten Gelände.

Masken sind obligatorisch, aber sie behindern auch und grenzen ab

Regelmäßige freiwillige Coronatests unter den Beschäftigten waren bisher nur in wenigen Fällen positiv, doch die Sorge vor Ansteckung bleibt. Weitaus belastender sind die veränderten Arbeitsbedingungen und eingeschränkten Sozialkontakte untereinander. Der Vollzugsdienst arbeitet über Wochen im Zweischichtsystem rund um die Uhr.

Masken sind obligatorisch, aber sie behindern auch und grenzen ab. Mimik spielt im Strafvollzug nämlich eine nicht zu unterschätzende Rolle. Unter Kolleg*innen und im Miteinander von Vollzug und Gefangenen bleibt so manches gute Wort oder entspannte Lächeln auf der Stecke. Erstaunlich, dass es im „Männerknast“ in den letzten Monaten vergleichsweise friedlich zugegangen ist.

Besuche hinter Plexiglas oder via Skype

Für die gut 500 Gefangenen gibt’s – freilich nach Quarantäne bei allen Zugängen und doppelter Testung für jeden – keine Masken. Sie bleiben in den großen Hafthäusern weitestgehend unter sich und arbeiten in eigens zugeordneten Betrieben. Gefangene aus Küche und Bäckerei bilden zudem eine Extraabteilung mit eigenem Hofgang nach getaner Arbeit.

Soziale Kontakte über die Häuser hinweg sind unterbrochen, Besuche von Angehörigen oder Freundinnen und Freunden finden hinter Plexiglas oder über Skype statt – wenn überhaupt. Das ist kein Ersatz dafür, in den Arm genommen oder berührt zu werden.

Generell gibt’s weniger Besuche und weniger Arbeitszeit, somit auch weniger Geld, um zweimal im Monat beim zuliefernden Großhändler einkaufen zu können. Bessergestellte kaufen vielleicht für 150,- EUR im Monat ein, viele für etwa die Hälfte und nicht wenige haben kaum etwas bis gar nichts auf dem Konto. Telefonkosten fallen meist auch noch an, doch zeitweise verzichtet das Land immerhin auf die Pauschale für den geliehenen Fernseher und den Extrastrom – normalerweise (k)ein Luxus für die allermeisten, nur einige haben nichts, um in die Röhre zu schauen.

Weniger, aber dafür intensiver

Gefängnisseelsorge unter Pandemiebedingungen heißt beispielsweise: Fünf Gottesdienste mit je fünf bis zehn Gefangenen aus den getrennten Hafthäusern alle vierzehn Tage im Wechsel, statt eines wöchentlichen Gottesdienstes mit bis zu siebzig Gefangenen aus allen Häusern. Keine Organist/inn/en, sondern Musik aus der Box. Dennoch habe ich den Eindruck, dass wir viel entspannter und intensiver miteinander feiern – ein Segen und pure Gnade an diesem Ort, in dieser Zeit.

Weniger, aber dafür intensiver, das gilt nach meinem Eindruck auch für die Einzelgespräche, die ich führe. Meist geht es um mehr als Kaffee, Tabak oder was man sonst so zum Überleben braucht. Gut, der Bedarf an Süßem ist gestiegen, doch inzwischen hat sich herumgesprochen, dass wir Leib- und Seelensorger primär für all diejenigen da sind, die nichts haben, was über die reine Grundversorgung durch das Land hinausgeht.

In einer ausgewiesenen Mangelgesellschaft noch größere Härten für einzelne Gefangene auch materiell abfedern und mildern zu können, das ist viel und erfüllt nicht nur mich mit großer Dankbarkeit.

Diakon Michael Feldmann

Katholischer Gefängnisseelsorger, Rottenburg

Der Artikel ist entnommen aus dem Heft „Auge und Ohr“, der Zeitschrift des Rates der Ständigen Diakone in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Rottenburg, 2021. Das ganze Heft ist kostenlos zu beziehen unter expedition-drs.de.

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