Den Blick gesenkt, in sich ruhend, und doch irgendwie zugewandt, freundlich – so präsentiert sich der kleine König. Besser gesagt: die Könige und die Königinnen, die sich in der Vinzenzkirche in Untermarchtal die Ehre geben. Welcher Raum könnte für sie besser passen als dieses einladende Gotteshaus, das so viel Großzügigkeit atmet, das Ruhe und Dynamik zugleich ausstrahlt?! Hier haben die 30 bis 50 Zentimeter großen Holzkönige Residenz genommen. Vor der Orgel stehen drei – ein bisschen wie die Orgelpfeifen dieses ebenfalls königlichen Instruments. Eine Königin hat den Kopf leicht geneigt, die Augen wohl geschlossen, als lausche sie den – in diesem Augenblick nur imaginären – Orgelklängen. Das verschmitzte Lächeln will vielleicht sagen: Du hast den richtigen Ton getroffen.
„Du bist königlich und kostbar!“
Ein König hat auf einem der Sedile Platz genommen; seine Krone hält er lässig in der Hand. Ja, diese Figur wirkt auch ohne Krone auf dem Haupt majestätisch – trotz ihres ansonsten schlichten Äußeren, denn die Königswürde ist unverlierbar. Einen anderen König hat es „ins Grüne“ gezogen: er steht im Pflanzentrog zu Füßen der Vinzenzplastik aus Cristallina-Marmor, die die Kirchenbesucher willkommen heißt. Auch am Tabernakel wird man eines der Holzkönige gewahr.
Risse und Kanten erspüren
Vielleicht stehen sie inzwischen aber auch ganz woanders in der Kirche, am Ambo, am Weihwasserbecken, in einer Kirchenbank… Denn die Menschen sind eingeladen, „auch haptisch mit diesen Königen in Verbindung zu treten, sie nicht als Kunst zu betrachten, sondern man soll die Risse und Kanten dieses groben Holzes in sich aufnehmen und regelrecht erspüren“, wie ihr Schöpfer Ralf Knoblauch in einem Radiointerview erklärt. Hunderte Königinnen und Könige hat der Diakon und Tischler bereits aus Holz gehauen – und als Botschafter in alle Welt gesandt, um sie den Menschen in die Hand zu geben. Ihre Botschaft lautet: „Du bist königlich, kostbar, wertvoll!“
Würde – das ist das Thema und Herzensanliegen von Ralf Knoblauch. Als Seelsorger in den sozialen Brennpunkten Bonns hat der Ständige Diakon viel mit Menschen zu tun, denen es nicht gut geht: Menschen mit zerbrochenen Beziehungen, verletzten Familien; Menschen mit Problemen: Gewalt, Alkohol, Drogen; geflüchtete Menschen. Viele dieser Menschen haben fast alles verloren – doch eines können sie nicht verlieren: ihre von Gott gegebene Würde, die eigene, persönliche Königswürde. In den hölzernen Königen sind diese Menschen, sind alle Menschen gleichsam dargestellt. Meist in den frühen Morgenstunden geht Ralf Knoblauch in seine Werkstatt, um einen neuen Holzkönig zum Leben zu erwecken.
Menschenwürde ist unteilbar
Diese Könige wollen keinen Eindruck schinden in ihren schlichten weißen Gewändern oder mit weißem Shirt und schwarzer Hose. Sie wollen keine Macht ausüben. Und doch haben sie etwas Forderndes, etwas, das den Betrachter und die Betrachterin Partei ergreifen lässt: für die Menschen, die um einen Rest von Würde ringen – Menschen auf der Straße, Geflüchtete – oder Menschen, bei denen die Würde relativiert oder denen sie vielfach gar abgesprochen wird: Schwerstkranke, Menschen mit Behinderung, ungeborene Kinder. Drei Ausrufezeichen trägt der Titel der Ausstellung in Untermarchtal: Würde!!!
Die freundlichen Figuren erinnern daran, dass jede und jeder von uns Königswürde besitzt, dass wir – wie es im Begleitprospekt der Ausstellung heißt – „königliche Menschen werden sollen, die füreinander da sind und die einander brauchen“. Denn keiner der Könige ist „perfekt“. Indem Ralf Knoblauch seine Holzkönige nur grob aus altem Eichenholz herausschnitzt – zumeist waren die Balken einst in einem Fachwerkhaus verbaut –, zeigt er, dass alle Menschen Ecken und Kanten haben, Fehler wie du und ich. Und doch wollen sie sagen: Du bist Ebenbild Gottes, ein Königskind.
INFO zur Ausstellung "Würde!!!"
Könige zum Anfassen und Würde zum Begreifen bietet die Ausstellung der Holzkönige in der Vinzenzkirche des Klosters Untermarchtal. Die Holzfiguren von Ralf Knoblauch und das Thema Würde können bis 2. November 2021 täglich von 8 bis 18 Uhr betrachtet, angefasst und meditiert werden.
www.ralfknoblauch.de
VERANSTALTUNGEN
Vortrag am Mittwoch, 29. September 2021, 20 Uhr:
"Die Würde des Menschen ist unbezahlbar …und unantastbar, so steht es im Grundgesetz!"
Was gibt Würde in der Prostitution, in den menschenverachtende Strukturen, der hässlichen, entwürdigenden Realität, von Gewalt und Menschenhandel.
Mit Marietta Hageney Leiterin der SOLWODI-Fachberatungsstelle in Baden-Württemberg.
Vortrag am Mittwoch, 6. Oktober 2021, 20 Uhr:
"Die Bürde mit der Würde – heute katholisch sein"
Der Synodale Wege, ein Hoffen auf Bewegung und Veränderung.
Mit Sr. Nicola Maria Schmitt, Mitglied der Synodalversammlung „Synodaler Weg“/Leiterin der Citypastoral Stuttgart.
Vortrag am Mittwoch, 13. Oktober 2021, 20 Uhr:
"(Menschen)Würde ist von Gott gegeben!"
Dies ist die Grundhaltung aus der Vinzenz von Paul und Luise von Marillac leben, weil sie überzeugt sind, dass Gottes Abbild in jedem Menschen aufleuchtet.
Mit Sr. Marzella Krieg, Leiterin des Bildungsforum, Gestaltseelsorgerin (DGfP), Ergotherapeutin.
Friedensgebet am Freitag, 15. Oktober 2021, 19 Uhr:
"Zur Würde berufen"
Mit Sr. Elisabeth Halbmann, Generaloberin, und Katrin Knöll, Leitung des Chors „Lichtblick“ von der Zwiefalter Alb.
Vortrag am Donnerstag, 21. Oktober 2021, 20 Uhr:
„Wer ist würdig und was ist recht?“
Persönliche Erfahrungen einer engagierten Ordensfrau mit der Menschenwürde.
Mit Sr. Philippa Rath OSB, Benediktinerin der Abtei Sankt Hildegard in Rüdesheim-Eibingen, Theologin, Politikwissenschaftlerin, Delegierte im Synodalen Weg und Mitglied des Synodalforums „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“.
Vortrag am Mittwoch, 27. Oktober 2021, 20 Uhr:
"Frauen in der (Kommunal)-Politik: im Amt, aber auch in Würde(n)?"
Mit Dr. Ursula Sautter, Dransdorf/Lessenich/Meßdorf, Zweite Bürgermeisterin der Stadt Bonn, stellv. Vorsitzende von UN Women Deutschland, Projektreferentin im Bereich Bildung und Inklusion beim Hildegardis-Verein, überzeugte Ehrenamtlerin, Vormundin und Schöffin.