Es klingt fast wie ein Märchen, wenn Saskia Graf und Christine Schuler über Alna (Amtzell lässt niemand allein) erzählen. Die beiden Amtzellerinnen riefen das Netzwerk, das inzwischen zu einer festen Institution in der Gemeinde geworden ist, vor gut einem Jahr ins Leben. Hunderte Menschen profitierten seither von der immer tatkräftigen Unterstützung eines rund zehnköpfigen Teams. Das Motto der beiden Koordinatorinnen lautet: Wir wollen helfen. Die Autorin war bei ihnen vor Ort und schrieb diesen Beitrag für die Schwäbische Zeitung.
Die Basis für die Hilfe ist das Café Herzraum, das mitten im Dorf als Treffpunkt und auch als Anlaufstelle für Alna dient. Dort steht das Telefon des Netzwerks. Denn bei Alna kann man anrufen, wenn man Unterstützung braucht – wofür auch immer. Ein Anruf setzt dann die Aktivitäten von Saskia Graf und Christine Schuler in Gang, die nahezu rund um die Uhr erreichbar sind. „Wir kümmern uns um jeden Anruf, jede E-Mail, die bei uns ankommt.“ Sie sind „Kümmerer“ im besten Sinne des Wortes, verfügen über ein breites Netzwerk in und um Amtzell und können so viele Probleme lösen helfen. „Für dieses Netzwerk sind wir sehr dankbar“, so Saskia Graf, „denn durch die Zusammenarbeit mit Kirchen, Rathaus, Vereinen und vielen Einzelpersonen können wir tatsächlich oft gute Lösungen für die Menschen finden.“
Hilfe in allen Lebenslagen
Die bis zu zehn Anfragen am Tag betreffen sehr unterschiedliche Themen, etwa wenn jemand krank ist und nicht selbst einkaufen oder kochen kann. „Dann organisieren wir, häufig mit dem Kaufhaus Schellinger im Dorf, dass die- oder derjenige entsprechende Lebensmittel geliefert bekommt. Oder wir kochen auch schon mal selbst etwas und bringen es der Person vorbei“, erzählt Saskia Graf. Anfragen zu Haushaltshilfen, begleitenden Personen bei Behördengängen oder Hilfe beim Ausfüllen von Formularen, bei der Wohnungssuche und gegebenenfalls auch beim Umzug, landen ebenfalls immer wieder bei Alna. Zu Beginn der Corona-Pandemie organisierten die beiden sogleich die Aktion „Suppentöpfle“. Ehrenamtliche kochten Suppe, füllten sie in Gläser und brachten sie denen, die die Suppen bestellt hatten, direkt an die Haustür.
„Da wir ja auch das Kleiderstüble in Amtzell betreiben, rufen auch manchmal Leute an und wollen einfach wissen, ob es auch Gummistiefel in Größe 36 gibt.“ Sehr viel ernster sind Themen wie häusliche Gewalt, Sucht oder Nötigung, derer sich die beiden Frauen annehmen. Und auch hierbei wissen sie ein Netzwerk mit Sozialarbeitern, Jugendamt und auch Polizei im Hintergrund, das die Hilfesuchenden unterstützt. „Wir begleiten auch in solchen Fällen die Menschen, sie können sich jederzeit an uns wenden und wir schauen manchmal auch einfach bei ihnen vorbei, um zu sehen, wie es ihnen geht und wie sie mit allem klarkommen.“
Teil eines größeren Netzwerks
Als die beiden merkten, dass es gerade in Corona-Zeiten an Kontaktmöglichkeiten fehlt, riefen sie kurzerhand einen Treff für Alleinerziehende ins Leben oder einen Treff für Kinder, wo einfach gespielt werden kann, aber auch ganz praktische Hilfe beispielsweise für eine Präsentation für die Schule angeboten wird. „Da haben wir das große Glück, dass mit dem Café Herzraum ein Begegnungsort zur Verfügung steht, in dem soziale Aktivitäten ebenso stattfinden können wie ganz persönliche Gespräche“, betont Christine Schuler.
Die Gemeinde Amtzell stellt dem Verein Füreinander-Miteinander e.V., zu dem auch Alna gehört, diese Räume im Ludwig-Steimle-Haus kostenlos zur Verfügung. Alle Kosten oder Aufwendungen darüber hinaus werden ausschließlich über Spenden finanziert. Der Verein Füreinander-Miteinander selbst stellt bereits ein Netzwerk dar. So gehört dazu beispielsweise neben Alna ein Besuchsdienst, eine Hospizgruppe, die Nachbarschaftshilfe, die Flüchtlingshilfe, die Machakoshilfe in Kenia und einiges mehr.
Ansprechbar im Café
„Ich hatte schon lange die Idee für ein Café“, so Christine Schuler, „und damit sind wir beide dann zu Paul Locherer, dem Vorsitzenden des Vereins, gegangen.“ Dann kommt sie ins Schwärmen. „Es hat einfach ‚bing‘ gemacht, es hat gepasst und verschiedene Puzzle-Teile rückten zusammen“, freut sie sich noch heute. Seitdem verfolgen sie gemeinsam mit Paul Locherer, dem früheren Bürgermeister von Amtzell, die Aktivitäten für die Menschen in Amtzell und wissen sich auch über ihn gut vernetzt.
„Ins Café Herzraum laden wir alle ein, die einfach mal zu Hause rauskommen wollen. Dann merken wir während der Café-Zeiten oft auch, wenn jemand Hilfe braucht. Und wir erleben, dass hier so viel angestoßen wird, neue Kontakte entstehen, die Besucherinnen und Besucher sich gegenseitig helfen – das ist schön und erfüllend.“ Damit beschreiben Christine Schuler und Saskia Graf auch einen Teil ihrer Motivation für dieses großartige und selbstlose Engagement für andere in der Gemeinde.
Weitere Helferinnen und Helfer gesucht
Und die beiden haben noch viele Ideen, wie sie Menschen in Amtzell noch mehr und besser unterstützen können. „Dazu wünschen wir uns noch mehr Menschen – zum Beispiel im Rentenalter, die ein wenig Zeit übrighaben und zum Beispiel hin und wieder für eine Stunde mit jemandem spazieren gehen, Kinder vom Kindergarten holen und nach Hause bringen, sich als Leih-Oma oder -Opa anbieten, mal eine Suppe kochen oder einen Kuchen backen fürs Café.“ Darüber hinaus sollen im Garten des Café Herzraum noch Spielgeräte für Jung und Alt aufgebaut werden und „ein Backhäusle fänden wir auch toll.“
Die beiden Freundinnen, die Alna erfunden haben, kümmern sich um vieles fast wie Sozialarbeiter es tun – und das mehr oder weniger ehrenamtlich. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart finanziert eine 450-Euro-Stelle als Ehrenamtskoordinatorin für Saskia Graf und Christine Schuler erhält eine Übungsleiter-Pauschale. Aufs Geld kommt es den beiden ohnehin nicht an. Sie wollen „einfach für die Leute da sein.“ Dafür haben sie die volle Unterstützung ihrer Familien - Ehemänner und Kinder packen häufig selbst mit an. Und so viel ist für beide klar: „Wir machen weiter.“