Alfons-Auer-Ethik-Preis

Erfinder der Autonomen Moral

Archivbild: Universität Tübingen

Am 30. Oktober verleiht die Theologische Fakultät den Alfons-Auer-Ethik-Preis. Aber wer war Alfons Auer? Eckhard Raabe hat bei ihm studiert.

Der renommierte Moraltheologe Alfons Auer gilt als Erfinder der „Autonomen Moral“, einer Moral, die aufgrund von wissenschaftlicher Analyse der Umstände zum guten Handeln führen soll.

1915 in Schönebürg bei Schwendi geboren wurde er 1939 zum Priester geweiht und war Gründungsdirektor der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Ab 1955 war er Professor für Moraltheologie, zuerst in Würzburg, dann in Tübingen. Dort lernte er Josef Ratzinger und Hans Küng kennen.

An der Enzyklika „Humanae Vitae“ von 1968, bei der es um die Frage der Verhütung ging, entzündete sich innerkirchlich ein Streit um die Autorität des Lehramts. In seiner Schrift „Autonome Moral und christlicher Glaube“ betonte Auer 1971 die Notwendigkeit, sittlich gutes Handeln vernünftig zu begründen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse und nicht allein die kirchliche Lehre sollten als Grundlage dienen. Mit seinen Tübinger Professorenkollegen suchte er damit den Anschluss an die neuzeitliche Vernunft- und Freiheitsgeschichte.

In der Folge wurde diese Freiheitsbewegung in der Kirche durch Papst Johannes Paul II und Joseph Ratzinger als Leiter der Glaubenskongregation stark gebremst, was 220 TheologieprofessorInnen 1989 dazu bewog, in ihrer Kölner Erklärung die Ausdehnung der lehramtlichen, kirchlichen Äußerungen auf Bereiche zu kritisieren, für die – im Sinne der Autonomen Moral Alfons Auers – das Gewissen zuständig sei. Einer der Professoren war Alfons Auer.

Viele der heute strittigen Themen der katholischen Kirche sind aufgrund der seit einem halben Jahrhundert unveränderten kirchlichen Lehre nicht gelöst. Gerade in Fragen der Sexualmoral beansprucht die Kirche lehramtliche Kompetenz und tut sich schwer mit einer vernünftigen Weiterentwicklung der Moral.

Es ist das Verdienst Alfons Auers, einem vorurteilsfreien Denken auch in der Kirche den Weg bereitet zu haben. Das bessere Argument gilt heute allgemein als das entscheidende Kriterium für das richtige Handeln, auch für die allermeisten Glaubenden in der katholischen Kirche.

Alfons Auer hat dafür die theoretische Grundlage geschaffen. Er starb im Jahr 2005.

Preisträgerin des Alfons-Auer-Ethik-Preises ist in diesem Jahr die ehemalige irische Präsidentin Prof. Dr. Mary McAlees. Sie erhält den Preis am Mittwoch, 30. Oktober, um 18.30 Uhr im Hörsaal des Theologicums (Liebermeisterstraße 12). Der Festakt ist öffentlich. Die Laudatio hält Professorin Hille Haker von der Loyola University Chicago (USA).

Mary McAleese

Mehr über die Preisträgerin und die Begründung der Jury

Professor Mary McAleese, die frühere Präsidentin der Republik Irland, erhält in diesem Jahr den Alfons-Auer-Ethik-Preis der Universität Tübingen. Die Katholisch-Theologische Fakultät würdigt damit ihr Engagement als Christin und Wissenschaftlerin bei der Umsetzung ethischer Werte in der politischen Praxis.

Mary McAleese habe sich besonders am Schnittpunkt von Ethik und Politik engagiert und Impulse zur moralischen Erneuerung in der Katholischen Kirche gesetzt, so die Begründung des Kuratoriums. Nach ihren Möglichkeiten arbeite sie daran, das Evangelium in den Konflikten der Gegenwart als eine Botschaft der Nicht-Diskriminierung, der Versöhnung und des Friedens zu entfalten.

Mary McAleese wurde 1951 im nordirischen Belfast geboren. Aufgewachsen mit einem Bürgerkrieg „vor der Haustür“ wurden Friedensbildung, Demokratisierung und Versöhnung zu ihren Lebensthemen. Sie studierte Jura an der Queen’s University Belfast und wurde 1975 Professorin für Criminal Law, Criminology and Penology am Trinity College Dublin. Ab 1987 war sie Professorin an der Queen’s University, wo sie 1994 als erste Frau das Amt der Prorektorin übernahm. 

Von 1997 bis 2011 amtierte Mary McAleese als 8. Präsidentin der Republik Irland. Danach studierte sie Katholisches Kirchenrecht an der Gregoriana in Rom und ist nach einer Promotion im Fach Kirchenrecht seit 2018 „Professor of Children, Law and Religion“ an der University of Glasgow, Scotland. Als Präsidentin verstand sie sich stets als Brückenbauerin: zwischen Nord- und Südirland, zwischen Gewinnern und Verlierern des wirtschaftlichen Aufschwungs und zwischen allen Teilen der Gesellschaft, in denen sich Spannungen und Brüche auftun. In ihrer Amtszeit wurden der „Employment Equality Act“ (1998) und der „Equal Status Act“ (2000) eingeführt, die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung verbieten. Heute gehört sie dem Council of Women World Leaders an, einem Netzwerk aus Premierministerinnen und Präsidentinnen, das sich für Frauenrechte einsetzt. 

Mit diesen Themen engagiert sie sich auch für Reformen in der Katholischen Kirche. Sie thematisiert Kinderrechte und die Diskriminierung von Frauen, fordert eine Anerkennung von LBGT-Lebensweisen und kritisiert den strukturellen Klerikalismus der Kirche. In den letzten Jahren tritt McAleese immer stärker für Veränderungen in der Bewertung der Sexualmoral ein: für die Korrektur der Enzyklika Humanae Vitae, für Veränderungen in der Bewertung von Homosexualität und für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen.

Diese Themen verbinden sie mit Alfons Auer, der Mitglied der päpstlichen Kommission zur Empfängnisregelung war. Er arbeitete dort an dem breit unterstützen Mehrheitsvotum mit, dem sich der Papst bekanntlich nicht anschloss. Damals setzte sich eine kleine Minderheit mit Hilfe der päpstlichen Autorität durch. Alfons Auer hat sich später die Frage gestellt: Ist die Kirche heute noch „ethisch bewohnbar“?

Der Alfons-Auer-Ethik-Preis

Mehr über den Stifter und die bisherigen Preisträger

Der Alfons-Auer-Ethik-Preis ist mit 25.000 Euro dotiert und wird an Persönlichkeiten verliehen, die sich durch ethisches Engagement im religiösen, wissenschaftlichen und/oder gesellschaftlichen Bereich auszeichnen.

Er wurde 2015 erstmals von der Katholisch-Theologischen Fakultät an den kanadischen Sozialphilosophen Professor Charles Taylor vergeben, 2017 bekam ihn der Menschenrechtler Heiner Bielefeldt.

Den Preis stiftete der Unternehmer Siegfried Weishaupt zu Auers 100. Geburtstag. Weishaupt ist geschäftsführender Gesellschafter der Max Weishaupt GmbH. Das weltweit tätige Unternehmen mit 3000 Mitarbeitern und Hauptsitz im schwäbischen Schwendi wurde von seinem Vater Max Weishaupt, Ehrensenator der Universität Tübingen, gegründet.

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