Gegen die Entscheidung des Innenministeriums, traumatisierte Jesidinnen in Zukunft nicht mehr über das Sonderkontingent betreuen zu lassen und die finanzielle Unterstützung der zunächst als besonders schutzwürdig eingestuften Frauen und Kinder zu beenden, wendet sich Ordinariatsrätin Dr. Irme Stetter-Karp, Leiterin der Hauptabteilung Caritas im Bischöflichen Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Dies sei weder fachlich noch politisch zu verantworten, heißt es in einem Schreiben an Innenminister Thomas Strobl und Sozialminister Manfred Lucha.
Die Betreuungszeit Geflüchteter durch die Integrationsmanager sei derart knapp bemessen, dass keine Aufmerksamkeit für besondere Bedürfnisse geschenkt werden könne, wie sie bei den durch IS-Kämpfer im Nordirak verfolgten Jesidinnen bestehen. Zum Wesen der Traumatisierung, besonders jener, welche die betroffenen Frauen und Kinder erlebt haben, gehöre es jedoch, dass sie nicht schnell vorüber geht, stellt Stetter-Karp fest. „Es war der gesonderten Unterbringung und Betreuung der betroffenen Frauen und Kinder zu verdanken, dass sie nach langer Zeit Vertrauen zu den Betreuungspersonen fassen und sich für einen Integrationsprozess öffnen konnten. Das war auch Voraussetzung für die Aufnahme traumatherapeutischer Arbeit. Eine Unterbringung der Jesidinnen in regulären Anschlussunterbringungen halten wir daher nicht nur für äußerst kritisch, sondern risikobehaftet für die Gesundheit und damit Zukunft der Frauen. Nicht ohne Grund werden bis heute Aufenthaltsort, ja sogar die Namen der Kommunen, in denen Jesidinnen untergebracht sind, unter Verschluss gehalten und sehr vertraulich behandelt. Gerade die besonders geschützte Unterbringung ermöglichte es ihnen, Vertrauen aufzubauen und sich für den so wichtigen Integrationsprozess zu öffnen. Die jetzt vorgesehene Unterbringung bietet ihnen keinen gesonderten Schutzraum mehr, und kann – aufgrund der Durchmischung mit anderen, auch männlichen Geflüchteten – zu einer Retraumatisierung führen und sie in ihrem Integrationsprozess nachhaltig behindern“, heißt es in dem Schreiben.
Im Jahr 2014 war von der Landesregierung entschieden worden, ein Sonderkontingent an Jesidinnen aufzunehmen und die dafür notwendigen Sondermittel zur Verfügung zu stellen. "Wir als Diözese fördern seit 2014 mit insgesamt über fünf Millionen Euro in vielfältiger Art und Weise die traumatherapeutische Versorgung geflüchteter Menschen allein im württembergischen Landesteil. Aus der Begleitung der von uns geförderten Projekte wissen wir, wie hoch und notwendig die Bedarfe nicht nur an therapeutischer Zuwendung, sondern auch an Begleitung im Alltag sind", stellt Stetter-Karp fest. Sie ruft die Landesregierung deshalb dazu auf, auch in Zukunft die Verantwortung für die Jesidinnen zu übernehmen, die in ihrer Heimat im Nordirak zum Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch IS-Kämpfer geworden waren.