… und dann haben Sie die Entscheidung getroffen, Priester zu werden. Gibt es ein Berufungserlebnis?
Ein besonderes Berufungserlebnis kann ich so nicht erzählen. Bei mir war es ein langsamer Weg des Hineinfindens. Immer wieder habe ich geprüft: „Passt das? Dann geh ich weiter.“ Also ganz im Sinne der klassischen Unterscheidung der Geister vom heiligen Ignatius, der fragt: „Wo fühle ich mich am meisten getröstet?“ Ganz massiv zu meinem Weg hat dazugehört, dass ich die Welt ergründen wollte. In der Schule haben wir Goethes Faust gelesen, der herausfinden will, „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Das hat mich getroffen – und auch angetrieben. Außerdem habe ich schon früh meinen Lebenssinn in sozialen Tätigkeiten gesucht und wollte zuerst Medizin studieren. Als es an die Berufswahl ging, reichte mir das irgendwie nicht. Viele Menschen sind körperlich gesund und trotzdem unzufrieden. Ich hatte dann einen sehr guten Religionslehrer, der uns aufgeklärte, diskursfähige Theologie beigebracht hat, und ich habe Priester kennengelernt, die mir zeigten, dass der Priesterberuf unglaublich erfüllend sein kann. Das sind ein paar von vielen unterschiedlichen Bausteinen, die sich zusammengefügt haben. Nach dem Abitur bin ich dann auf das Ambrosianum, das damals noch in Ehingen war. Ich habe mir auch dort die Frage, besonders auch die nach der Lebensform, der Ehelosigkeit, immer wieder gestellt und bin zu dem Schluss gekommen: Das passt. Bis heute.
Ihr Weg zum Priestertum unterscheidet sich anschließend von der sonst üblichen Laufbahn. Sie haben in Jerusalem und Rom studiert. Wie kam es dazu?
Vom Orient hatte ich schon seit dem Ambrosianum geträumt, als wir Althebräisch gelernt haben. Vielleicht hatte ich auch eine etwas romantische Vorstellung, aber ich wollte im dritten Studienjahr sehr gerne nach Jerusalem. Das hat dann geklappt, ich wurde für das „Theologische Studienjahr“ an der Dormitio-Abtei ausgewählt.
Hat sich die romantische Vorstellung bewahrheitet oder entzaubert?
Ja, zum einen hat sie sich bestätigt. Wir waren viel auf archäologischen Ausgrabungen und politischen Exkursionen unterwegs. Dabei habe ich viel von dem Orient kennengelernt, der mich fasziniert. Und natürlich ist gerade Jerusalem ein heiliger Ort, wo sich geistliche Erfahrung unglaublich verdichtet. Ich muss dabei an ein Bibelwort denken: „Seht Gottes Zelt auf Erden.“ Wenn man das Heilige Land bereist, ist das, wie wenn man die biblischen Szenen als Schwarz-Weiß Fotos vor sich liegen hatte, die dann plötzlich Farbe bekommen. Andererseits bekommt man, wenn man im Land lebt, die politischen Auseinandersetzungen viel stärker mit und spürt diese Spannung.
Und Rom?
Nach Rom wurde ich von der Diözesanleitung entsandt. Mir war das Studium dort erst mal ziemlich suspekt. Ich kannte das deutsch-ungarische Seminar „Germanicum“ überhaupt nicht und habe mir dann erst mal vor Ort ein Bild gemacht. Dort ist mir ein Satz vom heiligen Ignatius begegnet, der mir davor schon wichtig war: „Nur wenige Menschen ahnen, was Gott aus ihnen machen würde, wenn sie sich Ihm ganz überließen.“ Das war für mich dann schon ein erstes kleines Zeichen, dass das richtig ist (lacht). Und tatsächlich: Ich bin in Rom vielen netten und theologisch aufgeschlossenen Menschen begegnet, die gemeinsam und in großer Vielfalt an der Zukunft der Kirche arbeiten wollen.
Das „Germanicum“ gilt auch als Kaderschmiede …
Ja, das hält sich hartnäckig (lacht). Das ist seiner Geschichte zu verdanken. In der Zeit der Konfessionalisierung haben Adelsfamilien ihre Söhne gerne dorthin geschickt – da war schon von vornherein klar, dass sie keine einfachen Gemeindepfarrer werden sollen. Einige von ihnen waren dann später wirklich Bischof; daher kommt dieser Nimbus, dass alle Germaniker Bischöfe werden. Heute stimmt das sicher nicht mehr.