Ausstellung

Videoinstallation im Haus der Katholischen Kirche

Ausschnitt aus der Ausstellung Puszcz imperator. Bild: Helen Weber

Künstlerin Helen Weber dokumentiert den letzten Urwald Europas in sieben Videos.

Das UNESCO Weltkulturerbe Białowieża-Urwald, auch “letzter Urwald Europas” genannt, erstreckt sich vom Osten Polens über die Grenze in den Westen Belarus’. Die Bevölkerung Białowieżas lebt vor allem vom Urwald-Tourismus, dessen Hauptattraktion wieder ausgewilderte europäische Wisente sind. Als Symboltier der Gegend ist der zubr namensgebend für Sportclubs, Hotels und sogar Getränkemarken wie das das zubr-Bier.

Schon in der frühen Neuzeit rankten sich Mythen, Fantasien und die Sehnsüchte vieler Herrscher dort um die Jagd nach den Wisenten, der zum Imperator der Urwalds (puszcz imperator) stilisiert wurde. Auch die Nationalsozialisten machten sich diese Bilder zu eigen: “Reichsjagdmeister” Göring plante dort ein sogenanntes „Naturschutzgebiet“. Nach dem Vorbild germanischer Mythen sollte dort eine archaische „germanische Urnatur” wiederauferstehen. Im Wisent sah Göring den Auerochsen, den er mittels eines aufwendigen Züchtungsprogramms „zurückkreuzen“ lassen wollte.

2016 bildet sich nach illegalen Baumfällungen im geschützten polnischen Teil des Waldes ein breites Bündnis aus Wissenschaftlern und Aktivisten, die durch Petitionen und Waldbesetzungen auf das Vorgehen der polnischen Waldbehörde aufmerksam machten. Trotz eines EuGH-Urteils dauern die Fällungen auch 2022 noch an.

Angetrieben von diesen Geschichten und Ereignissen reiste Helen Weber Anfang September 2021 per Anhalter mit einer Wildkamera ausgestattet zu Recherchezwecken nach Białowieża. Auf der Suche nach Bildern um die komplexe Geschichte des Waldes zwischen Territorium, Nation, Naturschutz und Wildnis (-fiktion) wurde sie dort unerwarteter Weise mit einer Gegenwart konfrontiert, in der der Białowieża als Teil der heutigen EU-Außengrenze zum Schauplatz menschenrechtswidriger Grenzpolitik wurde. Geflüchtete Menschen wurden – und werden noch – von belarussischen Behörden über die polnische Grenze gebracht, wo sie von polnischen Behörden wieder zurückgedrängt und festgehalten werden. Im schützenden Dickicht des „Urwalds“ entstand dort eine militarisierte Sperrzone, aus der wenige bis keine Bilder nach außen dringen.

Die Videoinstallation dokumentiert in sieben Videos eine fragmentarische Geschichte, die sich anhand zufälliger Begegnungen selbst zu schreiben scheint und um den Ort Białowieża kreist. Die Stimmen unterschiedlicher Zufallsbekanntschaften (Deutsche Touristen, Anwohnern, eine Soldatin und ein kriegstraumatisierter Survivaltrainer) werden zu Bildern und Geräuschen der Wildkamera arrangiert, wodurch sie zu Erzählern und Protagonisten eines unübersichtlichen Moments aus ihrer jeweiligen Perspektive werden.

Helen Weber: Puszcz imperator

  • Ausstellung: 30. März bis 23. April
  • täglich 09:00 – 19:00 Uhr, außer an Sonn- und Feiertagen
  • Haus der Katholischen Kirche
  • Eintritt frei

Zur Künstlerin Helen Weber:

  • *1994 in Mannheim
  • Studium Bildende Kunst in Stuttgart und Istanbul, aktuell: Transdisziplinäre Kunst in Wien,
  • lebt und arbeitet in Stuttgart und Wien
  • Stipendien/ Residencies
  • Seit 2018 Studienstiftung des Deutschen Volkes
  • 2019 Residency Kabuff/ E-Werk Freiburg mit dem Projekt EXPEDITIONEN
  • 2021 Residency barac Mannheim mit dem Projekt NINFA
  • Seit 2021 Atelierstipendium Künstlerhaus Stuttgart
  • 2021 Absolventinnenförderung Neustart Kultur
  • 2021/22 BBK Neustart Kultur Stipendium für das Projekt nature.exe mit dem Schwäbischen Online- Albverein
  • Ausführlich unter helenweber.com

insight: ist das Ausstellungsformat des Katholischen Bildungswerks Stuttgart in Kooperation mit dem Haus der Katholischen Kirche. insight: möchte den Blick für spannende Fragestellungen der Bildenden Kunst öffnen, die an religiöse, soziale und gesellschaftliche Bezugspunkte anknüpfen und reizvolle Diskurse anstoßen.

Gefördert von der Roman und Gertrud Stetter Stiftung.

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