Trotz der anhaltenden Pandemie blickt Bischof Dr. Gebhard Fürst zuversichtlich in die Zukunft. Die Krise habe „unsere Verwundbarkeiten aufgedeckt, falsche Sicherheiten, auf denen wir unser Leben aufgebaut haben, bloßgelegt und uns den Geist der Selbstüberschätzung ausgetrieben“ – doch es gebe erste Hoffnungszeichen in Form von Impfstoffen. Da der traditionelle Neujahrsempfang der Diözese Rottenburg-Stuttgart am 6. Januar coronabedingt ausfallen musste, wenden sich Bischof Fürst und der Sprecher des Diözesanrates, Dr. Johannes Warmbrunn (Esslingen), erstmals in elektronischer Form an die knapp 1,8 Millionen Gläubigen.
"Wir spüren unsere Verletzlichkeit und die Zerbrechlichkeit unserer globalen Weltordnung"
„Keiner hätte sich je vorstellen können, dass ein mikroskopisch kleines Virus die ganze Welt zum Stillstand bringt“, resümiert Bischof Fürst in seiner Neujahrsansprache. Die Gesellschaft musste „hilflos miterleben, wie sich dieses Virus rasant ausbreitet und sich unseres Lebens bemächtigt“. Die Krise zeige Defizite und Abgründe der Hochglanz-Zivilisation auf: Verunsicherung, Isolationsängste, Vereinsamung, Überforderung und Ohnmacht. Fürst: „Wir spüren unsere Verletzlichkeit und die Zerbrechlichkeit unserer globalen Weltordnung. Wir mussten lernen, dass wir nicht alles machen und beherrschen können. Unser Machen hat seine Grenzen.“ Dennoch blickt der Bischof von Rottenburg-Stuttgart mit Zuversicht in das gerade begonnene neue Jahr. Immer wieder seien ihm in den vergangenen Monaten die Worte aus einem Gedicht von Friedrich Hölderlin begegnet: „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“
Ein Lichtblick der Hoffnung auf ein Ende der Pandemie
Die Bilder der ersten geimpften Menschen, so Gebhard Fürst, machten Mut. Sie seien ein Lichtblick der Hoffnung auf ein Ende der Pandemie. Wie die Einhaltung der AHA-Regeln sei auch die Impfung ein Akt der Solidarität, der Fürsorge für uns selbst und die anderen: „Sobald ich selbst an der Reihe bin, werde ich mich impfen lassen.“ An die Gläubigen appelliert der Bischof, mit dazu beizutragen, die Pandemie zu besiegen: „Handeln Sie in Verantwortung für sich selbst und die Anderen, seien Sie solidarisch, wann immer Sie können!“ Das vergangene Jahr habe schmerzvoll gezeigt, dass die Armen, die Kranken, die Benachteiligten und auch die hilfsbedürftigen Alten zu wenig im Blick gewesen seien. Und dass die sich um sie kümmernden Pflegerinnen, Ärzte und Hilfsdienste, Ordnungskräfte, Lehrer und Erzieherinnen, Priester, Seelsorgerinnen und Seelsorger zu wenig geschätzt worden seien für ihre Arbeit: „Sie alle sind die Heldinnen und Helden der Stunde – Ihnen sage ich herzlich Danke!“
Die Corona-Krise als Anfrage an den christlichen Glauben
Beim Blick in die Zukunft ist sich das Oberhaupt der württembergischen Katholiken sicher: „Nach der Pandemie muss uns eine neue Menschlichkeit leiten. In Geschwisterlichkeit und sozialer Freundschaft kann das Rettende wachsen.“ Die Corona-Krise sei auch eine Anfrage an den christlichen Glauben, an das Handeln eines jeden Einzelnen und der Kirche, die „verändert aus der Krise hervorgehen wird“. In der Retrospektive auf 2020 zeigt sich der Bischof beeindruckt, wie viele kreative und innovative Ideen an der Basis entstanden sind: Liturgien im Live-Stream, spirituelle Angebote „to go“ in den Kirchen und über das Internet oder Hausgebete in den Familien. Gebhard Fürst nutzt seine Neujahrsbotschaft zur Einladung zum 102. Katholikentag, der im Mai 2022 unter dem Motto „leben teilen“ in Stuttgart stattfinden wird.