Gedenken

Namen statt Nummern auf russischem Friedhof

Inmitten der Metalltafeln mit den Namen der Verstorbenen ragt ein russisches Kreur mit zwei waagrechten und einem diagonalen Balken in den Himmel. Ein kleines Foto oben links zeigt eine Stele mit der Nummer 368.

Bei der Neugestaltung des 1991 wieder eingeweihten russischen Friedhofs in Biberach ersetzten Tafeln mit Namen die Stelen mit Nummern (kleines Foto) - Archivbilder: Pax Christi

Zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion erinnert die katholische Friedensbewegung Pax Christi an ein Projekt in Biberach.

Am 22. Juni 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion. Gut 50 Jahre später im Herbst 1991 weihte Metropolit Pitirim von Moskau und Volokolamsk nach einem ökumenischen Gottesdienst zusammen mit Bischöfen der  katholischen und evangelischen Kirche den umgestalteten "Russischen Friedhof" in Biberach ein. Hier liegen in Oberschwaben zu Tode gekommene sowjetische Zwangsarbeiter begraben. Die französische Besatzungsmacht ließ nach dem Krieg die Leichname an diesem Ort zusammenführen und die Gräber mit Nummern versehen.

Nachforschungen erfolgreich

„Gebt den Namenlosen ihre Namen wieder“ lautete das Motto des Projekts, das Mitglieder der katholischen Friedensbewegung Pax Christi vor Ort Mitte der 1980-er Jahre angingen. Sie wollten in einer Zeit der atomaren Bedrohung und wachsender Spannungen zwischen Ost und West ein Zeichen für Versöhnung setzen. Durch ihre Initiative angeregt gab es in Biberach von 1985 bis 1989 „Russische Wochen“. Sie rückten die Notwendigkeit der Versöhnung zwischen den Menschen der damaligen Sowjetunion und der Bundesrepublik ins Bewusstsein der Bevölkerung.

„Frieden schaffen ist nicht nur eine Aufgabe der großen Politik und ihrer Repräsentanten“, betonte Berthold Seeger damals. Der langjährige Biberacher Dekanatsreferent und ehemalige Geschäftsführer von Pax Christi erinnert sich, dass 1989 in der sowjetischen Tageszeitung „Iswestja“ ein Bericht über die Biberacher Initiative samt der erforschten Namen erschien. Daraufhin stand plötzlich ein im lettischen Riga lebender Russe vor der Kirchenpflege. Er wollte zwei seiner Onkels auf dem Friedhof besuchen, streute an ihren Gräbern russische Erde aus und nahm deutsche Erde mit in die Heimat.

Zeichen der Verständigung bis heute

Bei der kleinen Totenliturgie mit dem Besuch aus Riga standen die Namen der Verstorbenen noch provisorisch auf Pappkartons. Dank zahlloser Spenden einzelner Personen, der Stadt, des Landkreises Biberach und des Landes Baden-Württemberg konnte der Künstler Otl Aicher metallene Namenstafeln für 572 der 614 Verstorbenen erstellen, die in Archiven ausfindig zu machen waren. Biberacher Bürgerinnen und Bürger übernahmen Patenschaften für einzelne Gräber und pflegen sie bis heute.

Kommen Delegationen russischer Firmen zu oberschwäbischen Unternehmen, besuchen sie häufig auch zu dem Gedenkort neben dem "Alten Evangelischen Friedhof" in der Memminger Straße. So sieht Pax Christi im russischen Friedhof auch in der Gegenwart, in der das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland nicht spannungsfrei ist, einen konkreten Beitrag zum Frieden auf der Ebene von Mensch zu Mensch.

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